„Miss Lilac“
Getreu diesem Motto machte ich mich im Februar 2014 an den Bau der Crackerbox im Maßstab 1:4 auf Basis des Spantensatzes der Firma Kuhlmann. Die „Miss Lilac“ ist zwar nicht meine erste Crackerbox, da aber Kuhlmann bei seiner Konstruktion kleinere Modifizierungen des Unterwasserschiffs einfließen ließ, erschien mir der Bau sehr reizvoll. Die Crackerbox an sich ist ein recht simpel konstruiertes Boot, das keine sonderlich großen Vorkenntnisse im Bau erfordert. Die Fahreigenschaften stehen hingegen für pures Vergnügen. Crackerboxen sind bei Modellbauern seit vielen Jahren sehr populär und wurden schon in den unterschiedlichsten Formen und Farben gebaut. Auf dem Modellbaumarkt findet sich eine Vielzahl an Varianten dieses Bootstyps. In fast jedem Maßstab werden Spantensätze, Baupläne und GFK-Modelle angeboten. Meine hier beschriebene Crackerbox hat eine Länge von 115 cm und eine Breite von 46 cm.
Hintergrund
Crackerboxen sind von ihrer Konstruktion her Flachrumpfboote, die von einem leistungsstarken V8-Motor der Hersteller Chevrolet, Dodge oder auch Pontiak mit einem Hubraum von 5 Liter und mehr angetrieben werden. Bereits in den 1950er-Jahren erreichten diese Boote damit Spitzengeschwindigkeiten von über 135 km/h. Die Fahreigenschaft der 4,5 bis 5 Meter langen Crackerboxen lässt sich mit dem Begriff Höllenritt trefflich umschreiben. Die leichten Keksdosen hüpfen und springen wie ein flacher Stein übers Wasser und verlang den Fahrern so einiges ab. Ihren Ursprung hat die Crackerbox an der Westküste der USA in Kalifornien. Dort sind Crackerboxen sehr verbreitet, und es gibt eine lange Historie dieser Boote. Die Erfindung der Crackerbox geht vermutlich auf das Jahr 1937 zurück. In diesem Jahr wurde die erste Crackerbox von Dominic Catroni gebaut. Unverändert wurde das Boot viele Jahre gebaut und bereits damals wurden damit Rennen ausgetragen. Mitte der 1950er-Jahre wurde die Rumpfform der Crackerbox dann etwas modifiziert, um in der Crackerbox Race Series der rasant zunehmenden Leistung der V8- Motoren Rechnung zu tragen. Bis heute werden mit dieser Bootsform regelmäßig Rennen der Lucas Oil Crackerbox PRO Series ausgetragen. Weiterführende Informationen zu der Rennszene in den USA sind beispielsweise unter www.cbraracing.com zu finden.
Neben der reinen Rennvariante dieser Boote, die als Fahrmaschine heute zumeist aus GFK und Kevlar gefertigt werden, gibt es noch die Ausführung als Luxus-Crackerbox. Ein Gentlemanracer aus edlen Hölzern mit viel Chrom und einer glamourösen Cockpitausstattung. Ein „Hot Rod“ fürs Wasser mit übertriebener Leistung und Überfluss in allen Bereichen. Ein Boot wie gemacht für meine Miniwerft.
Die Vorbereitung
Mit dem Bau meiner ersten Crackerbox im Jahr 2008 habe ich mit diesem Bootstyp erste Erfahrungen gesammelt. Das extrem flache Unterwasserschiff erfordert bei höheren Geschwindigkeiten unbedingt ein sehr ruhiges Gewässer. Bereits kleinste Wellen führten bei meiner alten Crackerbox zu teils brenzligen Situationen. Warum sollte das Fahren von Modellbooten im Grenzbereich auch anders sein als bei ihren „großen“ Vorbildern... Aus diesem Grund hegte ich schon seit Längerem den Gedanken, den Bau einer etwas optimierten Crackerbox in Angriff zu nehmen. Auch sollte meine neue Crackerbox etwas größer werden. Mir schwebte der Maßstab 1:4 vor. Als die Firma Modellbautechnik Kuhlmann den Spantensatz der Crackerbox Anfang 2014 in ihr Programm aufnahm, bat ich Herrn Kuhlmann, mir einen Spantensatz zu fräsen, bei dem das Unterwasserschiff jedoch leicht modifiziert werden sollte. Bei meiner Crackerbox sollte das Unterwasserschiff eine um ein paar Grad ausgeprägtere V-Form erhalten. Mein Änderungswunsch wurde nach kurzer Abstimmung berücksichtigt und als Standardform des Spantensatzes übernommen. Bereits nach wenigen Tagen erfreute ich mich am Anblick eines perfekt gefrästen Spantensatzes auf der Werkbank meiner Miniwerft.
Der Rohbau
Zuerst schraubte ich die Helling auf meiner Werkbank fest bevor ich begann, die Spanten sauber darauf aufzurichten. Das Zusammenstecken der Frästeile erfolgte wie zu erwarten vollkommen problemlos, und bereits nach kurzer Zeit hatten alle Frästeile ihren vorgesehenen Platz eingenommen. Lediglich die Ausfräsungen der Stringer im Bugbereich mussten mit einer kleinen Feile etwas nachgearbeitet werden. Ich kontrollierte im Anschluss nochmals die korrekte Ausrichtung aller Bauteile bevor ich begann, die Verbindungspunkte der Spanten und Stringer mit kleinen Tropfen Sekundenkleber zu fixieren. Bei Klebepunkten, die unter Spannung standen, verwendete ich zusätzlich etwas Aktivatorspray. Als nächster Arbeitsschritt erfolgte das Anbringen der Unterbeplankung aus Caiba-Holz. Zuerst klebte ich die beiden Teile für das Unterwasserschiff auf, im Anschluss gefolgt von den beiden Bordwänden. Nun löste ich den Rumpf von der Helling und klebte die beiden Unterbeplankungen für das Deck auf. Die Bauzeit für den Rohbau betrug bei der Crackerbox nur etwa 5 Stunden.
Beplankung & Rumpfdesign
Wie bereits eingangs erwähnt, sollte meine Crackerbox in Sachen Showeffekt ihren großen Vorbildern in nichts nachstehen. Ich machte mich also an die Recherche nach einem ansprechenden Rumpfdesign. Die ursprünglich gefasste Idee, das Boot nicht mit Edelholz zu beplanken, und statt dessen aufwendig zu lackieren, verwarf ich wieder. Zu gerne beplanke ich Rümpfe mit Holzleisten. Mahagoni erschien mir für die Crackerbox jedoch zu gewöhnlich, und so fiel meine Wahl schlussendlich auf Amaranth-Holz in Kombination mit Ahorn- und Jatoba-Holz. Das Design war nach einiger Zeit auch aus mehreren Fotos von Booten zusammengestellt und grob auf der Unterbeplankung mit Bleistift skizziert. Nachdem die benötigten Holzleisten geliefert wurde, begann ich umgehend, erste Leisten aufzukleben. Als Erstes wurde von mir der Heckspiegel vollständig mit Amaranth-Holz belegt. Danach folgten die Bordwände, auf die ebenfalls Amaranth-Holz und Ahorn-Leisten geklebt wurden. Um das Farbspiel noch zu intensivieren, brachte ich zwischen den Hölzern weiße ABS-Kunststoffleisten an. Dieselben Leisten verwendete ich für das Stabdeck in Kombination mit Jatoba-Holz. Da die Rumpfform der Crackerbox doch eher schlicht anmutet, hatte ich mir im Vorfeld für das Deck eine aufwendige Gestaltung vorgenommen und diese entsprechend skizziert. Die Umsetzung erwies sich dann als tatsächlich aufwendig. Nach vielen Stunden filigraner Anpassungs- und Schleifarbeit war die letzte Holzleiste an ihrem vorgesehenen Platz eingefügt und der Rohbau somit abgeschlossen. Eher spontan entschied ich mich statt der späteren Anbringung einer Windschutzscheibe für einen Windabweiser aus Holz, den ich noch auf dem Deck anbrachte und ebenfalls mit Amaranth-Holz belegte. Diese spontane Idee war nur leider nicht so ganz ausgereift wie ich anfangs dachte, denn nachdem der Rohbau abgeschlossen war und das Boot sauber verschliffen war, gefiel mir die Seitenansicht der Crackerbox mit dem abgehackten Höcker gar nicht mehr so gut. Am liebsten hätte ich den Windabweiser nochmals abgetrennt und neu montiert, nur diesmal mit einem weniger abgehackten seitlichen Konturenverlauf. Aber dafür war es jetzt zu spät, denn dafür hätte ich die mühevoll verlegte geschwungene Decksbeplankung ebenfalls abschleifen müssen, und das wäre doch sehr schade gewesen. Ich überlegte daher hin und her, wie ich den Konstruktionsfehler kaschieren könnte. Irgendwann kam mir die Idee der Verblendung mit einem Messingbauteil. Im Nachhinein betrachtet, bin ich sehr zufrieden mit meiner ursprünglichen Notlösung, denn sie sollte im Lauf des Baus zum wichtigsten Designelement meiner Crackerbox avancieren. Die Notlösung gibt der Crackerbox aus meiner Sicht den besonderen Kick. Etwas Gutes hatte die Zeit des Überlegens noch zusätzlich. Wenn man Amaranth-Holz frisch verarbeitet und schleift oder sägt, ist das Holz unscheinbar dunkelbraun. Erst mit Sauerstoffkontakt entwickelt sich nach und nach die leuchtend Lila-Pink-Färbung. Es ist wirklich spannend zu beobachten, wie sich der Bootsbau von Tag zu Tag verändert. UV-Licht wirkt diesem tollen Farbeffekt übrigens entgegen, so dass während der Bauzeit und vor dem Auftragen der ersten Schichten Epoxid und Klarlack als UV-Schutz das Boot unbedingt mit einer Decke oder einem Spannbettlaken abgedeckt werden sollte.
Oberfläche
Wie schon in meinen vorangegangenen Bauberichten beschrieben, ist die Lackierung des Boots aus meiner Sicht das A und O. Da das verwendete Amaranth-Holz sehr UV-empfindlich ist, muss der Lack zusätzlich zur Optik noch den UV-Schutz übernehmen. Begonnen habe ich auch bei der „Miss Lilac“ wieder mit dem Auftragen einigen Schichten Eposeal 300 mit dem Pinsel. Dieses extrem dünnflüssige und wasserklare Epoxid dringt sehr tief ins Holz ein und plastiniert dort die Poren. Zusätzlich wird das Boot nochmals komplett verklebt, was die Stabilität deutlich erhöht. So vorbereitet, erfolgte das Auftragen von Schicht um Schicht dickflüssigem Epoxidharz. Durch das Auftragen mehrerer Schichten baut sich nach und nach eine widerstandsfähige durchsichtige Kunststoffschicht auf, die nach dem kompletten Durchtrocknen kleinere Unebenheiten und Baufehlerchen schluckt. Das spätere Schleifen des Boots, bevor der Klarlack aufgetragen wir, erfolgt lediglich im Bereich des trockenen Epoxids. Je erfahrener der Erbauer des Boots ist, und je perfekter das Boot gebaut ist, desto weniger aufgetragene Schichten sind nötig. Ich empfehle an dieser Stelle nicht unter 8 bis 10 Schichten aufzutragen. Wichtig ist, speziell an Kanten aufzupassen, dass der Schliff nicht bis auf das Holz erfolgt. Denn in dem Fall sollten erneut Epoxidschichten aufgetragen werden, und das Prozedere wiederholt sich. Nachdem das Epoxid zu einer sehr glatten und weitestgehend makellosen Schicht geschliffen wurde, begann ich, das Unterwasserschiff meiner Crackerbox mit einem Chromeffekt-Lack bis zum Wasserpass zu lackieren. Um den Metalliceffekt des Lacks zu verstärken, empfiehlt es sich, vorher eine Schicht schwarzen Basislack als Untergrund aufzusprühen. Nachdem der Chromlack vollständig getrocknet war, klebte ich den kompletten Bootsrumpf bis auf den Wasserpass ab und verpasste diesem einen weißen Anstrich. Beim Abziehen des Abklebebands ist etwas Vorsicht geboten, denn der Lack neigt gerne zum Abplatzen. Abschließend erhielt meine „Miss Lilac“ noch einige Schichten Klarlack, bevor der Bootsrumpf für viele Monate zum Trocknen in meiner Miniwerft ausharren musste. Mit Schmirgelpapier des Korns 2.000 begann ich abschließend, den Klarlack von letzten Staubeinschlüssen und kleinsten Unebenheiten zu befreien und steigerte mich Schritt für Schritt bis auf Korn 12.000. Den jetzt seidenmatt schimmernden Rumpf polierte ich mit drei immer feiner werdenden Polierpasten der Firma 3M nach und nach auf Hochglanz. Mit diesem Arbeitsschritt war der Bau des Rumpfs abgeschlossen.
Antrieb
Eine Crackerbox braucht Power! Viel Power! So viel stand bereits während der Planung der Crackerbox fest. Mit Details zu der Motorisierung habe ich mich jedoch erst im Lauf des Baus beschäftigt. Ich hatte mich schon zum Zeitpunkt der Kiellegung festgelegt, dass meine Crackerbox ein am Heckspiegel aufgehängtes Ruder erhalten soll. Die Entscheidung, ob das Ruder am Heck angebracht ist oder unter dem Rumpf montiert ist, hat auf das Fahrverhalten keinen merklichen Einfluss. Die Ruderaufnahme am Heck ist eben nur wesentlich aufwendiger herzustellen und sieht dafür in Kombination mit den bei diesem Boot zwingend notwendigen Trimmklappen sehr stimmig aus. So viel zur Vorbereitung. Den Antrieb an sich sollte bei der Crackerbox wie bei allen meinen bisher gebauten Booten ein Motor der Firma Plettenberg übernehmen. Ich entschied ich mich für den bürstenlosen Motor des Typs Kima 50/3 BM mit 560 1/min/Volt. Ein baugleicher Motor verrichtet in meiner Kaiser K-500 seinen Dienst und sorgt dort für recht beeindruckende Fahrleistungen. Zu dem vollgetauchten Propeller der Crackerbox sollte der Kima 50/3 BM ebenfalls ideal passen. Bei einer Stromversorgung mit 10 S Lipo-Zellen erreicht der Motor eine maximale Lastdrehzahl von ca. 20.000 U/Min und eine Ausgangsleistung von ca. 5,5 kW oder, anders ausgedrückt, 7 PS. Die 5M-Edelstahl-Schiffswelle ließ ich für die „Miss Lilac“ von der Firma Gundert anfertigen. Als Propeller kommt der englische Propshop Fast Scale 6015/3/LH/SS mit 60 mm Durchmesser zum Einsatz.
Dass ich jegliche Technikkomponenten erst ganz zum Schluss in den vollkommen fertigen Rumpf einbaue, hat sich im Lauf der Jahre bewährt. Aus meiner Sicht hat dieses Vorgehen nur Vorteile. Während des Rumpfbaus muss ich nicht auf die teuren Bauteile achten. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Oberfläche des Rumpfs sehr viel leichter schleifen und polieren lässt, weil keine Wellen und Ruder im Weg stehen. Lediglich beim Durchbohren des Wellendurchstichs muss man beim nachträglichen Einbau etwas vorsichtig sein.
Beschlagteile
Durchstöbert man das Internet nach Fotos von Crackerboxen, so wird man von einer schier grenzenlosen Bilderflut förmlich überrollt. Ob edle Gentleman Crackerbox oder brutale Rennmaschine, in allen Formen und Farben wurden Crackerboxen in den letzten Jahrzehnten schon gebaut. Da ich meinen Booten stets eine gewisse kreative Eigenständigkeit verleihe und ungern ein vorhandenes Vorbild exakt nachbaue, griff ich von einer Vielzahl von Booten einzelne Elemente auf, um sie auf meiner Crackerbox zu vereinen. Seit Baubeginn stand für mich fest, dass meine „Miss Lilac“ eine sehr typische edle Crackerbox werden sollte. Viel Leistung, viel Bling-Bling, laut und sehr viel Show. Eben genau so, wie die Szene dieses Bootstyps ist. Die Grenze des guten Geschmacks wollte ich aber nicht überschreiten und sie sollte weder überladen noch kitschig wirken, denn zu viele Beschlagteile können aus meiner Sicht einem Boot auch schaden. Also begann ich, Beschlagteil für Beschlagteil aus Messing anzufertigen und auf das fertige lackierte Boot zu montieren, bis sie mir gefiel. Ich kann an dieser Stelle schon vorwegnehmen, dass diese Bauphase einige Monate in Anspruch genommen hat. Es kamen nämlich eine Menge Beschläge zusammen, bis meine Crackerbox die Grenze des guten Geschmacks gestreift hat. Für die Montage aller Beschläge verwendete ich ungefähr 450 Miniaturschrauben der Größe 1,4x8 mm. Die seitlichen Verblendungen für den Windabweiser fertigte ich als Erstes aus Messing an. Aufgrund der Deckswölbung war das Anpassen etwas fummelig, und es benötigte einiges an Schleifarbeit, bis die beiden Messingbauteile sauber mit dem Bootsdeck abschlossen. Neben der Optik schützen die beiden Blenden das Cockpit vor Spritzwasser. Als nächstes Bauteil fertigte ich die Ruderaufnahme samt Ruder und dann die Trimmklappen. Es folgten Scheuerleisten, Abschlussbleche, Instrumentenringe, die Burgspitze, Auspuffblenden und Lukeneinfassungen. Nach und nach kamen immer mehr Bauteile hinzu, die auf dem doch recht großen Rumpf ihren Platz einnahmen. Sämtliche Beschlagteile wurden aus Messingblech hartgelötet, geschliffen und dann poliert. Für ein anständiges Fahrverhalten benötigen Crackerboxen eine Finne, die den Geradeauslauf des Boots unterstützt. Diese Finne lötete ich ebenfalls aus Messing zusammen. Zusätzlich fertigte ich aus Dreikantprofilleisten noch vier Kimmleisten an, indem ich die Enden vorne und hinten mit Hartlot ausfüllte und abrundete. Später sollte jeweils eine Leiste am Übergang zwischen Rumpfboden und Bordwand die Abrisskante schärfen. Die beiden anderen Leisten würden, mittig rechts und links auf dem Rumpfboden befestigt, zusätzlich für einen besseren Gerdeauslauf sorgen. Die Kimmleisten erhielten noch Bohrlöcher zur Befestigung mit Senkkopfschrauben, bevor sie ebenfalls poliert wurden. Als schließlich das letzte Beschlagteil angefertigt war, montierte ich alle Beschläge vorsichtig wieder ab und polierte sie nochmals final auf Hochglanz. Für den Transport zum Galvanisierbetrieb stand eine kleine Kiste bereit. Diese füllte sich nach und nach, bis schließlich auch das letzte Messingteil abmontiert und auf Hochglanz poliert war. Beim fummeligen Aufhängen der teilweise sehr kleinen Beschläge auf die Tauchbad-Halterungen für die Galvanik half ich den Mitarbeitern noch etwas, und nach ein paar Tagen konnte ich meine Beschläge frisch verchromt abholen. Auf der Rückseite der Beschläge hatte ich kleine Kerben und Symbole eingekratzt, die mir bei dem späteren Anbringen helfen sollten. Parallel hatte ich die Position der markierten Bauteile auf einer Skizze notiert. Mit diesem Plan erfolgte das Montieren der Beschlagteile recht einfach, denn ich hatte ja für das Anpassen der Beschläge im Vorfeld bereits die Löcher im Rumpf vorgebohrt. Zum Abdichten gab ich in jedes Bohrloch einen kleinen Tropen UHU-Plast Modellbaukleber, den ich etwas antrocknen ließ, bevor ich das Chromteil festschraubte. Eine Bauphase mit Suchtpotenzial, denn das Boot verändert mit jedem Chromteil gewaltig seine Anmutung.
Cockpitausbau
Nachdem der Rumpf fertig und alle Beschläge montiert waren, begann der Cockpitausbau.
Ich startete mit dem Cockpitboden, den ich aus Teakholz-Leisten und schwarzem Epoxid anfertigte. Wie beim großen Vorbild ölte ich den fertigen Teakholz-Boden lediglich ein. Um das Cockpit etwas technischer erscheinen zu lassen, entschied ich mich bei der Materialwahl des Armaturenbretts für strukturiertes Aluminium, das ich auf das vorher angepasste Holzarmaturenbrett aufschraubte. Die Ausschnitte für die später folgenden Instrumente und Schalter bohrte ich vor, bevor eine dünne schwarze Kunststofflippe die Einfassung des Alu-Blechs übernahm. Beim Steuerrad entschied ich mich für einen Durchmesser von 90 mm. Den inneren Teil des Steuerrads sägte ich aus Duraluminium aus und polierte es im Anschluss wie so viele andere Teile vorher schon auf Hochglanz. Bei der Holzauswahl fiel meine Entscheidung auf Ahorn. Hieraus sägte ich drei runde Ringe mit jeweils 2,5 mm Stärke aus und klebte diese aufeinander. Den mittleren Holzring versah ich mit drei kleinen Aussparungen, in die später die drei Steuerradspeichen eingefügt werden sollten. Die Ahornringe schliff ich rund und setzte als Verzierung vor dem Beschichten mit Epoxid und Klarlack noch ein paar dunkle Perlmutt-Augen ein. Als nächsten Schritt machte ich mich an die Cockpitarmaturen. Fotos von passenden Armaturen fand ich im Internet, und diese druckte ich mir in der entsprechenden Größe an einem Fotoautomat aus. Etwas mühevoll ist es gewesen, die exakte Größe am Drucker zu treffen, denn schließlich sollten die Instrumentenfotos genau in die Instrumentenringe aus Messing passen. Nach einigen gedruckten Ausschussfotos stimmte die Größe und ich konnte das Armaturenbrett vollständig montieren. Bei meinen vorangegangenen Schiffsmodellen habe ich für die Verglasung der Instrumente aus Plexiglas runde Scheiben ausgesägt und diese dann so lange geschliffen, bis sie in den Instrumentenring gepasst haben. Das war eine sehr zeitaufwendige Tätigkeit. Bei meiner „Miss Lilac“ setzte ich erstmals gewölbte Uhrengläser ein, die es in nahezu jeder Größe im Internet zu kaufen gibt. Durch die Wölbung der Mineralgläser sieht das Armaturenbrett, wie ich finde, täuschend echt aus. Nun war es Zeit, die Nähmaschine auf die Werkbank zu stellen. Mir schwirrten im Vorfeld so manche schrägen Farbkombinationen in Kopf herum. Schlussendlich wollte ich dann aber doch nicht zu sehr von der auffallenden Färbung des Amaranth-Holzes ablenken, und so fiel die Wahl auf ein schwarzes Leder, kombiniert mit cognacfarbenem Nappa. Ich kaufte noch ausreichend schwarzes Nähgarn, und dann begann ich, die Bezüge für die Schalensitze mit Nähten zu verzieren. Seit dem Bau der Kaiser K-500 habe ich Übung beim Nähen von Sitzen für meine Boote, so dass die Cockpitverkleidung und auch die Sitzflächen recht flott angefertigt waren. Bevor ich nun alle Einbauten des Cockpits fest verschraubte, verlegte ich noch die Schläuche für die Wasserkühlung unter dem Teakboden. Auch das Ruderservo platzierte ich hinter den Schalensitzen. Die Anlenkung zu den Ruderarmen erfolgt durch zwei Edelstahlseile, die in gefetteten Teflonröhrchen verlaufen. Hierdurch konnte ich auf die auffallende Faltenbalge am Heckspiegel verzichten, denn die Rumpfdurchführung ist auch so dicht. Die Revisionsluke hinter den Schalensitzen bespannte ich mit schwarzem Leder und schraubte sie fest. Die Schalensitze wurden mit starkem Klettband fixiert, um bei Bedarf einen raschen Zugang zur Rudertechnik zu ermöglichen. Alle anderen Cockpiteinbauten wurden fest verschraubt oder verklebt.
RC-Technik
Der letzte Bauabschnitt war der Einbau der Technik. Das wasserdichte Ruderservo von Hitec HS5646WP hatte ich ja bereits im Bootsheck verbaut. Nun folgte der Einbau des Plettenberg Motors, für dessen Befestigung ich mir aus stabilem Sperrholz eine Motoraufnahme aussägte, die ich dann mit reichlich grau eingefärbtem Klebe-Epoxidharz auf dem Rumpf und den Spanten fixierte. Aufgrund von möglichst kurzen Kabelstrecken bei Bürstenlosantrieben platzierte ich den Schulze Fahrregler sowie die beiden Akkuschalen recht dich neben dem Antriebsmotor. Platz ist in einer Crackerbox mit 115 cm Länge ohnehin reichlich. Ich platzierte nun noch den Hitec Proton 4 Empfänger sowie zwei Telemetriesensoren (Temperaturmesser Motor und Drehzahlmesser). Der GPS-Sensor ist im Proton 4 ja bereits integriert.
Fertig
Zum Abschluss erhielt der Bootsständer noch ein paar Schichten Eposeal 300 und eine dunkelgraue Farbschicht, bevor ich auf die Auflagekanten noch Moosgummi aufklebte und die „Miss Lilac“ aufsetzte. Nach genau zwei Jahren Bauzeit war sie nun fertig. Frech und selbstbewusst funkeln ihre Beschläge und die Lackoberfläche im Sonnenlicht, und ihre potente Motorisierung trägt sie ungeniert mit den beiden fetten Auspuffrohren zur Schau. Nachdem alle Technikkomponenten auf einwandfreie Funktion getestet wurden, stand nun der Stapellauf an.
Stapellauf
Mit voll geladenen Akkus und Kamera ging es nun an den See. Kurz vor dem Stapellauf wurden nochmals alle Funktionen überprüft und dann durfte die „Miss Lilac“ ihre ersten Runden in mitten einer stattlichen Entenpopulation drehen. Ich musste doch sehr aufpassen, um keinen vorwitzigen Erpel mit meiner „Miss Lilac“ zu berühren. Die exakte Position der Trimmklappen war schnell gefunden und wie zu erwarten, quittierte die Crackerbox bereits kleinste Bewegungen an Gasregler der Fernsteuerung mit gewaltigem Vortrieb. Sie driftet herrlich um Kurven und fährt dank der Trimmklappen gänzlich ohne Wippen. Da zum Zeitpunkt des Stapellaufs der vorgesehene Propeller von Propshop noch nicht perfekt gewuchtet war, wählte ich kurzerhand einen Kunststoffpropeller von Graupner. Bereits hiermit erreichte meine Crackerbox einen GPS-gemessenen Topspeed von 48 km/h. Hier ist aber mit dem richtigen Propeller sicher noch eine Steigerung möglich. Nachdem genügend Fotos geschossen wurden, beendete ich die erste Ausfahrt und freute mich über das tolle Fahrverhalten. Bis die Temperaturen etwas wärmer sind, darf die „Miss Lilac“ jetzt auf ihre nächste Ausfahrt warten.
Technische Daten
Maßstab: 1:4
Länge: 115 cm
Breite: 46 cm
Motor: Plettenberg KIMA 50/3 BM
Regler: Schulze Future XL 40.161 WK
Propeller: Propshop Fast Scale 6015/3/LH/SS mit 60 mm Durchmesser
Strom: Lipo 10 S
Leistung: ca. 7 PS
Gewicht: 9,5 KG
Holz: Amaranth, Ahorn und Jatoba
Fazit
Die Crackerbox ist ein Showboot. Durch und durch! Bescheidenheit und Zurückhaltung ist nicht ihr Ding. Die „Miss Lilac“ ist laut und ungezähmt auf dem Wasser. Sie schlägt Haken wie ein Hase, sie driftet wie ein wilder Mustang um Kurven und hält in jeder Situation Leistungsreserven im Überfluss für den nächsten Ausritt bereit. Die Miss ist unvernünftig und in vielen Bereichen einfach übertrieben. Sie blinkt und funkelt wie ein Spielautomat in Las Vegas, und genau so soll sie auch sein. Ein typisch amerikanischer „Hot Rod“ fürs Wasser mit einem schier grenzenlosen Spaßfaktor.